Es hat noch niemand in meiner Haut gesteckt

Eine Büste für Franziska zur Reventlow

Text und Foto: Sonja Wenzel

 

Dicht und lyrisch, schwingend und atmend – diese Worte umschreiben am treffendsten die Stimmung im Rittersaal des Schlosses vor Husum, als die Husumer Schriftstellerin Therese Chromik und die Frauentheatergruppe 5plus1 den bedeutendsten Lebensstationen der Franziska zu Reventlow im Rahmen einer Lesung am 18. Mai 2024 hinterherspürten. Die rebellische „Fanny“, die nur ungern gehorchte und sich vehement gegen gesellschaftliche Dogmen auflehnte, war gewissermaßen „in persona“ an ihre hochherrschaftliche Geburtsstätte, das Schloss, zurückgekehrt: Am 18. Mai 2024 wäre sie 153 Jahre alt geworden. Gleichzeitig wurde eine Büste von Fanny zu Reventlow offiziell dem Museumsverbund Nordfriesland als Dauerleihgabe übergeben und damit an ihrem Platz im Schloss bestätigt.

Anstatt folgsam zu sein, sich mit für damalige Zeiten angemessenen Arbeiten zu befassen und im Übrigen als höhere Tochter auf den Zukünftigen zu warten, ist Fanny ein wildes, unbändiges Kind. Sie möchte nichts lieber als ein Junge sein und erkennt schon früh mit glasklarem Verstand, dass die „geistige Ausbildung“ der Frauen des 19. Jahrhunderts „sträflich vernachlässigt“ wird, dass aber nicht viel anderes übrigbleibt, als demutsvoll den Nacken zu beugen und sich dem Mann in fast allen Lebensbereichen untertan zu machen. Sie wird als junges Mädchen in die Nähe von Flensburg in ein Pfarrhaus gesteckt, um „Moral und Haushalt“ zu lernen. Doch das hilft nicht viel: Sie flüchtet und begibt sich nach München-Schwabing, wo sie – heute würde man sagen „als heißer Feger“ – die dortige Bohème gehörig aufmischt. Sie wird schwanger, kümmert sich rührend um ihren Sohn Rolf und hält ihn und sich selbst mit Übersetzungen über Wasser. Gleichwohl führt sie ein freizügiges Leben mit vielen Umbrüchen. Im Sommer 1918 stirbt sie an den Folgen eines Fahrradunfalls in Ascona. 

Gemäß Therese Chromik und Angelika Zöllmer-Daniel ist die ungestüme, eigenwillige Fanny zu Reventlow im Schloss bislang „einfach zu unsichtbar“ gewesen; doch das hat sich seit einiger Zeit geändert: Der Maler und Bildhauer Harald Birck hat eine Büste der Adeligen gefertigt. Als Material verwendete er graue und schwarze Tonsorten, die mit ihrem Changieren im Licht eine eigene Lebendigkeit entfalten. „Als Werkzeug hatte ich nur meine Hände, Schneidedraht und ein Opinel-Messer“, sagt der Künstler. Dies ist eine von vielen Büsten, die er gefertigt hat: Seit rund zehn Jahren schafft er ein- und ausdrucksvolle Ton-Köpfe von Menschen – oftmals von solchen, die am Rande der Gesellschaft leben. „Mich interessiert das, was man von einer Person im Kopf hat: das Offenporige, das, was sich unterbewusst mitteilt.“ Von Fanny ist es der zweite, der schlichtere Kopf mit dem selbstgeschnittenen Haar, der den Besuchern und Besucherinnen im Flurbereich wie gespannt entgegenblickt: „Ich habe nichts mehr korrigiert. Es ist wie ein Gedicht, bei dem man kurz vor Schluss aufhört.“ Franziska Horschig vom Museumsverbund dankte dem Künstler und allen Sponsoren und freute sich besonders darüber, dass die Büste fortan die Dauerausstellung des Schlosses bereichert.

 

Ihre inhaltliche Umrahmung erhielt die Einweihungsfeier eindrucksvoll durch die Lesung von Fannys Tagebucheinträgen sowie Auszügen aus ihrem autobiografisch geprägten Roman „Ellen Olestjerne“ und Therese Chromiks Gedichte, die sich einfühlsam mit dem bewegten Leben der Reventlow beschäftigen. Sie zeichnen ein klares Bild dieses starken, nach Unabhängigkeit strebenden Charakters. Eva Bruhns, Mitglied der Theatergruppe, ist „Fanny“, macht den ganzen Rittersaal zu ihrer Bühne und verleiht der Figur Kraft und Stärke. Weitere „Theaterfrauen“, Christiane von Ahlften, Doris Christiansen und Angelika Zöllmer-Daniel, sind Vorleserinnen, gekleidet in zurückhaltendem Schwarz. Sie machen die Lebensgeschichte der jungen Rebellin griffig und interessant. Therese Chromik hat ganz besondere Einblicke. Unter dem Titel „Wenn ich nur lieben kann“ hat sie vor wenigen Jahren die Stationen des kurzen, intensiven Lebens der Fanny zu Reventlow klar, knapp und mit großem Sachverstand beschrieben. Den Anhang hat sie bereichert durch eigene Gedichte, die sich mit der jungen Frau befassen. 

 

Sie alle trugen dazu bei, dass Fanny zu Reventlow – als Tochter Husums – nicht nur an ihrem 153. Geburtstag, verstärkt ins Licht gerückt und beachtet wurde, sondern dass dauerhaft an sie erinnert wird.

Verwirklicht wurde der Ankauf der Büste auf Initiative von 5plus1 e.V. und mit freundlicher Unterstützung durch:  Ministerium für Allgemeine und Berufliche Bildung, Wissenschaft, Forschung und Kultur des Landes Schleswig-Holstein / Johannes und Irene Thordsen Stiftung / Förderverein des Schlosses vor Husum / Stadtwerke Husum /  Ede-Sörensen-Stiftung / Stadt Husum / Diakonisches Werk Husum / Johan van Wouwer Stiftung /

Willy Gerlach / Gleichstellungsbeauftragte des Kreises Nordfriesland / Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Husum /